Theorie und Praxis

Chen Yiqing, genannt Sunny, besucht seit dem Sommer 2019 die Schule Schloss Salem. Vorher hatte sie ein Jahr die Deutsche Klasse in China, Nanjing besucht, um dort das B2 Niveau (des GER) in Deutsch zu erreichen. Mittlerweile hat sie erfolgreich die C1 Prüfung bestanden.

You Lu, ein berühmter chinesischer Dichter, sagte einmal: ,,Kenntnisse, gelernt von Papier, werden immer flach bleiben, und Sie wissen nie, wie etwas in der Praxis genau funktioniert.“

Ein guter Ansatz für ein vielfältiges Bildungskonzept, nicht nur im alten wie im modernen China, sondern auch im Ausland. An der Schule Schloss Salem, die ich am Bodensee in Süddeutschland besuche, müssen alle Schüler der zehnten Klasse ein dreiwöchiges Betriebspraktikum absolvieren, um Einblicke in die Praxis der Arbeitswelt zu erhalten.

Schon immer neugierig auf die weltweit bekannte Automarke Mercedes-Benz und darauf, einen Einblick in den handwerklichen Geist von ,,Made in Germany“ zu erhalten, suchte ich bei Google nach Informationen zur Möglichkeit von Schülerpraktika bei Daimler und reichte mein Anschreiben und meinen Lebenslauf ein.

Ich freute mich sehr auf mein Praktikum bei Mercedes-Benz. In dem Anschreiben, das ich einreichte, erwähnte ich nur, dass ich gerne mit den Händen arbeite und hoffte, ein Praktikum im Unternehmen machen zu können, ohne mich für eine bestimmte Stelle zu bewerben. Einen Tag nach Einreichung der Unterlagen war ich angenehm überrascht, eine positive Antwort in meinem Inbox vorzufinden. Das Unternehmen bietet vier alternative Positionen für Praktikanten an. Ich entschied mich für die als Kfz-Mechatronikerin, eine Position, in der ich die Essenz des Jobs nicht namentlich verstehen konnte.

Mit Neugier und Sehnsucht habe ich am 3. Februar 2020 offiziell mein Praktikum bei Mercedes-Benz, im Industriegebiet Rohrbach Süd in Heidelberg, angefangen. Die Arbeitszeiten waren Montag bis Donnerstag von 7.30 bis 16.00 Uhr und freitags von 7.30 bis 14.00 Uhr. Die Frühstücks- und Mittagspausen summierten sich täglich auf eine Stunde Ruhe. Nachdem ich am ersten Tag siebeneinhalb Stunden mit schmerzenden Füßen gestanden hatte, musste ich seufzen, wie einfach es war, nur mit dem Gehirn in der Schule zu denken.

Da ich noch nie mit dem Bereich Kfz-Mechatronik in Berührung gekommen bin, geschweige denn eine Berufsausbildung im Kfz Bereich genossen hatte, war ich blutiger Anfänger. Um ehrlich zu sein, hatte ich zunächst bei den teuren Autos wirklich keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, einen 22-jährigen Senior getroffen zu haben, der bereit war, seine Weisheit auf meinem leeren Blatt Papier zu hinterlassen. Jeden Tag lernte ich mehr über Mercedes-Benz und konnte mehr machen. Dieser kontinuierliche Fortschritt ist ein Wachstum, das mir gefällt. So wie alle Autos in der Kfz-Werkstatt mit den positiven und negativen Polen verbunden sind, fühlte ich mich durch das Gefühl des kontinuierlichen (Auf)Ladens (mit Wissen) wirklich sehr voll und großartig.

Mein Praktikum bestand hauptsächlich aus zwei Teilen: Reparaturen der Autos und regelmäßige jährliche Inspektion. Ich weiß jetzt, wie man die Fahrzeugaußenseite anhand der Funktion der Leuchtweitenregelung, den Fahrzeuginnenraum mit dem Starter, den Motorraum anhand des Flüssigkeitsstand und alle sichtbaren Teile der Fahrzeugunterseite auf Beschädigungen und Flüssigkeitsverlust untersucht, sowie wie man im Kofferraum z.B. den Erste-Hilfe-Koffer prüft. Auch kann ich nun den Staubfilter, die Bremsflüssigkeit, den Luftfiltereinsatz, den Kraftstofffilter und die Batterie für den Schlüssel erneuern. Natürlich habe ich noch viel mehr gelernt, werde es aber hier nicht alles auflisten. Diese neuen Dinge zu lernen hat mir wirklich Spaß gemacht. Vor dem Praktikum kam ich mit nichts davon in Berührung, im Praktikum wurde es zu meinem Tagesinhalt. Mit dem Senior untersuchte ich auch mit Wartungsmethoden die Dichte des Autodachs, Navigationsfehler, Wasser unter der Decke und andere Probleme und lernte, wie man Probleme in Autos identifiziert.

Zur Kfz-Mechatronik gehört natürlich auch viel theoretisches Fachwissen, jedoch zählt der Bereich für mich schon zur Handwerkskunst, in dessen Geheimnisse die Kfz-Meister eingeweiht sind. Für die Kunden der Werkstatt sind die Probleme mit ihrem Auto selbst unlösbar, aber für die Kfz-Meister gleichen sich die Autos und Probleme und sind (oft) lösbar. Trotz sich wiederholender Technikprobleme lassen sie nicht in ihrer Wachsamkeit nach, sondern führen jeden Schritt sorgfältig und gewissenhaft aus.

Das Schrauben gehört zum 1×1 für alle Kfz-Mechatroniker. Der Kfz-Meister, der mich betreute, brauchte darin nur ein Drittel meiner Zeit. Gibt es eine Abkürzung zu allem? Übung ist die einzige magische Waffe für den Fortschritt. Ich habe oft gesehen, dass der Meister die Schrauben ohne hinzuschauen in das kleine Gitter für Schrauben am Werkzeugwagen werfen kann. Wie viel Schweiß steckt hinter diesem Muskelgedächtnis?

Das kurze dreiwöchige Praktikum ist vielleicht nur eine kleine Station auf meinem Weg zum Studium in Deutschland, aber die Landschaft auf dem Weg wird sicherlich ein Schatz sein, den ich in meinem Herzen pflege.

In der Zukunft bin ich vielleicht in einem Beruf tätig, der nichts damit zu tun hat, aber ich glaube, dass die hervorragenden beruflichen Qualitäten unabhängig von den Berufen gleich sind.

Diese Zeit der Wissenserweiterung im Kfz Bereich war eine sehr nützliche Zeit, die es mir ermöglichte, den Schulalltag und das Lernen am Gymnasium mit neuem Blick zu betrachten. Die tägliche Arbeitszeit ist länger als die Schulzeit, aber es ist zweifellos eine glückliche Erinnerung!

Autorin: Yiqing Chen, 10 D3, Schule Schloss Salem
Redaktion: Frau Xiumei Yang, Nanjing Foreign Language School, Nanjing